Ich habe Zeit

[georgette]

Ein Moench hatte sich in die Einsamkeit zurueckgezogen, um in der Abgeschiedenheit vom laermenden Leben seine Zeit der Meditation und dem Gebet widmen zu koennen.
Einmal kam ein Wanderer zu seiner Einsiedelei und bat ihn um etwas Wasser. Der Moench ging mit ihm zur Zisterne, um das Wasser zu schoepfen. Dankbar trank der Fremde, und etwas vertrauter geworden, bat er den Moench, ihm eine Frage stellen zu duerfen:" Sag mir, welchen Sinn siehst du in deinem Leben in der Stille?"
Der Moench wies ihn mit einer Geste auf das Wasser der Zisterne und sagte:" Schau auf das Wasser! Was siehst du?"
Der Wanderer schaute tief in die Zisterne, dann hob er den Kopf und sagte:" Ich sehe nichts."
Nach einer kleinen Weile forderte der Mönch ihn abermals auf :" Schau auf das Wasser der Zisterne. Was siehst du jetzt?"
Noch einmal blickte der Fremde auf das Wasser und antwortete:" Jetzt sehe ich mich selbst !"
" Damit ist deine Frage beantwortet", erklaerte der Mönch. " Als du zum ersten Mal in die Zisterne schautest, war das Wasser vom schoepfen unruhig, und du konntest nichts erkennen. Jetzt ist das Wasser ruhig - und das ist die Erfahrung der Stille: Man sieht sich selber!"


Die Tiere hatten eine grosse Versammlung einberufen, weil sie beraten wollten, wie sie sich gegen den Raubbau der Menschen schuetzen könnten.
" Mir nehmen sie fast alles", sagte die Kuh," die Milch, das Fleisch und selbst die Haut."
" Mir geht es auch nicht viel besser", sagte das Huhn. " Mir nehmen sie die Eier weg, und schliesslich muss ich in den Topf."
" Von mir nehmen sie das Fleisch und meine schoene Haut", sagte das Schwein.
" Und mir rauben sie die Freiheit, weil ich ihnen etwas vorsingen soll", sagte der Kanarienvogel.
Und so hatte alle etwas zu beklagen: Die Hirsche, die Hasen, die Voegel und die Fische, die Wale und die Seehunde, die Leoparden und die Elefanten.
Als alle Gruppen ihre Klagen vorgetragen hatten, liess sich die leise Stimme der Schnecke vernehmen:
" Was ich habe, wuerden mir die Menschen sofort wegnehmen, wenn sie koennten. Denn was ich habe, fehlt ihnen zu ihrem Wohlergehen am meisten: Ich habe Zeit !